Normalerweise mache ich um tagespolitische Themen einen großen Bogen und überlasse sie stattdessen den versierten tagespolitischen Kommentatoren. Das reizt mich aber schon. Und ich frage mich inzwischen, ob es sich nicht einfach um die eines Nobelpreisträgers undwürdige PR-Aktion für sein neues Buch handelt. Im Grunde stellen sich für mich zwei Fragen in der Angelegenheit:
1. Wie groß ist der Unterschied zwischen dem, was wir bereits über seine Nazi-Karriere wussten, und dem, was er uns nun eröffnet hat?
Aus meiner milden Perspektive der selbst für ‘68 zu spät Geborenen, möchte ich sagen: Graduell. Schließlich hat sich der Mann auch vorher nicht als kommunistischer Widerstandskämpfer verkauft, sondern seine Integration in der Nazi-Zeit schon immer als Grundlage seiner moralischen Aussagen und Handlungen angegeben.
2. Inwieweit sind Werk und Person des Autors miteinander verknüpft? Inwieweit wird das bisher Geschriebene durch die aktuelle Veröffentlichung unwahr?
Eine Verknüpfung von Werk und Autor zu leugnen halte ich für Augenwischerei, denn nicht umsonst sagt man, dass die Wahrheit aus mancher Menschen Mund zur Lüge wird. Allerdings hat sich der Standpunkt (oder die Wahrnehmung dieses Standpunktes durch das Publikum), von dem aus Grass schreibt, moralisiert und urteilt, nicht so stark geändert – er wurde eben in die Waffen-SS statt in die Wehrmacht eingezogen – als seine literarischen und moralischen Aussagen dadurch obsolet würden.
Soviel dazu. Weitere Überlegungen werden gegebenenfalls nachgereicht. Lange wird darüber aber wahrscheinlich eh niemand mehr reden. Ein Sommerlochfüller mehr.
Grass wurde nicht eingezogen sondern ging freiwillig.
» Nils » 6674 Tage zuvor » #Allerdings ist der Unterschied so relevant nicht, wenn man das zarte Alter bedenkt, in dem er diese bescheuerte Entscheidung traf.
Okay, sorry für die Ungenauigkeit. Aber er hat sich nicht bewusst für die Waffen-SS entschieden, sondern war nicht unbedingt glücklich über diese Information – zumindest hat er das nach seinem Geständnis so ausgedrückt.
» Henny » 6674 Tage zuvor » #Für ihn selbst war sein Alter nur eine bedingte Ausrede für sein Handeln, zumindest glaube ich auch das aus seinen Worten herausgelesen zu haben… wohingegen sich manch anderer mit Nachdruck hinter Belanglosigkeiten versteckt.
Rückblickend finde ich die meisten Dinge, welche ich mit 17 getan habe, fürchterlich. Allerdings finde ich auch, dass man in diesem Alter durchaus das Recht hat, mal falsche Entscheidungen zu treffen. Glücklicherweise hatte ich dann noch viele Jahre, um mich zu entwickeln.
Herr Grass war zu dieser Zeit noch nicht einmal volljährig. Also eigentlich auch nicht wirklich zur Verantwortung zu ziehen. Den wesentlich größeren Teil seines Lebens hat er dann ja auch mit vernünftigeren Dingen verbracht.
» Donna » 6672 Tage zuvor » #Ach! Erzähl doch mal, was hast du damals denn so alles gemacht?? ;)
» Henny » 6671 Tage zuvor » #Da werde ich mich doch nicht ein zweites Mal mit diesen Dingen ins falsche Licht setzen. Ich kaue nicht das schöne grüne Gras ab, was inzwischen darüber gewachsen ist
» Donna » 6668 Tage zuvor » #Manno! Müssen wir doch mal zusammen einen trinken gehen. (Oder ich komm mal mit auf Klassentreffen und mache dort die Ohren gaaaanz weit auf. ;) )
» Henny » 6667 Tage zuvor » #