Erschöpft löschte sie das Licht und kuschelte sich in ihr Bett. Sie schloss die Augen und döste langsam weg. Plötzlich schien sich im Zimmer etwas zu bewegen. Sie öffnete die Augen und sah einen überdimensionierten Nachtfalter an der Schrankwand sitzen. Er berührte mit den Spitzen der zusammengefalteten Flügel das Fenster und seine Fühler bewegten sich knapp vor ihrem Gesicht suchend durch die Luft.
Sie schloss wieder die Augen, in der Hoffnung, die Motte entpuppe sich als Fata Morgana. Vergebens. Nach kurzem Überlegen kroch sie in Zeitlupe unter ihrer Decke hervor und schob sich an dem Mottentier vorbei. Ohne es aus den Augen zu lassen und ohne es zu berühren, öffnete sie die Tür zum Flur. Erst nach einigen Augenblicken realisierte sie, dass dort ein weiteres Tier der Gattung Lasiocampa auf dem Teppich saß und sie durch seine Facettenaugen scheinbar musterte.
Der einzig freie Weg führte sie in das noch unbevölkerte Bad. Sie schloss die Tür zum Flur und setzte sich etwas müde auf den WC-Deckel. Nachdem sie einige Zeit stumpf auf die Wandfliesen geblickt hatte, wendete sie sich der Fensterjalousie zu. Sie öffnete mit der linken Hand einen Spalt zwischen zwei Lamellen und blickte hindurch. Erleichterung machte sich breit: Sie war nicht allein! Im Mondschein sah sie eine Monster-Motte auf dem Ahorn vor dem Haus und eine weitere auf einem Balkon gegenüber sitzen.