Deutschland ist ein dialektisches Land. Es ist anzunehmen, dass eine Vielzahl der regionalen Animositäten in Deutschland durch Sprachbarrieren begründet sind: Wer sich nicht versteht, kann sich nicht verstehen, nicht wahr?
Ich spreche aus eigener Erfahrung: Ob schwäbische Mitbewohnerinnen oder hessische Verwandte; oberbayrische Seminarteilnehmer oder sächsische Freunde – einzeln sprechen sie „normal“, im Rudel eine Sprache, die mit dem Hochdeutschen rein gar nix zu tun hat. Die Konsequenzen sind verheerend: Die Mitbewohnerin ist mittlerweile ausgezogen, der Kontakt zu den Verwandten ist abgerissen, die Seminarteilnehmer hassten mich und mit dem Freund bin ich auch nicht mehr zusammen.
Dabei habe ich mir größte Mühe gegeben und Strategien der Konfliktbewältigung und der interkulturellen Kommunikation entwickelt: Um regional begründete Animositäten zu vermeiden, spreche ich ein reines Hochdeutsch, wie man es selbst in Hannover nicht findet. Und um den Redefluss nicht durch unnötiges Nachfragen zu unterbrechen, greife ich bei verbalem Unverständnis auf nonverbale Kommunikation zurück und ahme die Mimik des Gegenübers nach. Hat bisher immer prima funktioniert!
In Frankreich gibt es kaum so ausgeprägte Dialekte. Dafür haben die Franzosen unterschiedliche Sprachen: So gibt es im Norden das Bretonische, im Süden das Baskische und im Osten das Elsässische, eine Mischung aus mittelalterlichem Französisch und dem Frühneuhochdeutschen, das weder Franzosen noch Deutsche verstehen. Außerdem sprechen die Marseillaiser Marseillais und die Minderjährigen Argot. Das ist eine Sprache, die aus verdrehten Wortsilben, völlig neu erfundenen Wörtern und dem Wort „putain“ besteht. Das Argot kommt in abgeschwächter Form in ganz Frankreich vor, in seiner ausgeprägtesten Form ist es aber, ebenso wie die deutschen Dialekte, regional begrenzt: Auf die Banlieues – die Vorstädte von Paris, Marseille und anderen Großstädten. Das sagt Ihnen was? Klar, das ist dort wo Ende letzten Jahres die Autos lichterloh brannten.
Leider kann ich selbst nicht so dialektisch um mich werfen, da ich aus Berlin komme und die Berliner Schnauze in ihrer Direktheit von so ziemlich jedem (miss-)verstanden wird.
Mark-Brandenburgische Dialekte:
* Altmärkisch
* Westprignitzisch
* Ostprignitzisch
* Westmittelpommersch
* Ostmittelpommersch, nach 1945 untergegangen
* Neumärkisch, nach 1945 in Polen untergegangen
* Eberswalder Kanaldeutsch
* Südbrandenburgisch
* Flämingisch
* Havelländisch
Weiterführende Infos zu diesem akkustischen Mist, den man sich teilweise auf der Straße anhören muss.
» e-sven » 6909 Tage zuvor » #Fajiss dit Balinarische nich! Obwohl oft und gern als Degeneration des Deutschen verspottet und zu heilen versucht, ist es ein ganz normaler Dialekt, der sich über Lautverschiebungen herleiten läßt. Im Gegensatz zu vielen austerbenden lokalen Mundarten hat sich der berliner Dialekt als recht beständig erwiesen und wirkt erstaunlich assimilierend.
» Andreas » 6909 Tage zuvor » #Eigentlich halte ich die Dialekte weniger für Anachronismen als eher für identitätsstiftende Gewohnheiten. Das ist genauso wie mit dem ewig vorgespielten Unverständnis gegenüber der Definition von Pfannkuchen-Eierkuchen-Kartoffelpuffern oder dem leidigen Viertel vor oder Dreiviertel iregendwann. Ost und West wie Nord und Süd wollen sich nicht verstehen bzw. sich ein wenig necken.