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Geschichte Hautnah

Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen: Mitten zwischen Plattenbauten und Einfamilienhäusern liegt das ehemalige Stasi-Untersuchungsgefängnis. Ein ehemaliger Häftling erklärt uns vor einer Tafel die Anlage, um uns dann durch unterirdische Folterzellen, “normale” Haftzellen, Vernehmungszimmer und Freiluftzellen zu führen.

Ich bin geschockt. Weniger von den Erklärungen des Häftlings. Ich war sehr oft in Buchenwald. Habe dort selbst Führungen gemacht. Ich kenne die Methoden, habe oft über die Angst der Häftlinge nachgedacht und mich gefragt, wie man das überleben kann. Schließlich wussten sie doch nicht, dass alles eines Tages vorbei ist…

Vieles erinnert mich während des Rundgangs durch das ehemalige Gefängnis an die ehemaligen KZs, die ich besucht habe. Und doch gibt es einen wesentlichen Unterschied: Die Nazi-Zeit habe ich nicht miterlebt. Ich bin erst Jahre nach ihrem Ende geboren. Sie ist eindeutig Vergangenheit für mich. Irgendwie weit weg. Die DDR hingegen gehört zu meinem Leben. Ich habe in diesem Staat, der dieses Gefängnis unterhielt, dort Menschen folterte und unsäglich quälte, gelebt. Nur als Kind zwar, aber trotzdem. Ich kann das nicht begreifen, fassen. Heute lebe ich in einem Rechtsstaat, dem ich in dieser Hinsicht rückhaltlos vertraue. Doch vor 17 Jahren war das anders. Unvorstellbar. Was hätte ich getan, wenn ich in diesem Staat tatsächlich aufgewachsen wäre? Wenn es die Wende nicht gegeben hätte, hätte auch ich in Hohenschönhausen landen können. Oder in Bautzen. Oder meine Eltern. Oder Freunde.

Auf dem Rückweg von Hohenschönhausen fahren wir an den schmucken Einfamilienhäusern vorbei. Hier wohnten früher – und teilweise noch heute – die ehemaligen Aufseher und Vernehmer des Gefängnisses. Sie haben sich inzwischen zu einem Verband zusammengeschlossen. Sie sehen sich als Opfer, kämpfen für eine höhere Rente und gegen die ehemaligen Häftlinge. Wie makaber.

 

09.04.2006 13:44 von Henny

  1. Man hätte sich schon arrangieren können. Wenns keine Hoffnung auf ein eigene Einflußmöglichkeit in der Gesellschaft gibt wird man schnell zum Opportunisten.
    Ich denke mit Grauen daran, wie gut meine ersten 11 Jahre in die Biographie eines DDR-Staatsangestellten im Sicherheitssektor passen. Ob ich da aus eigener Kraft rausgekommen wäre kann ich nicht eindeutig beantworten.

    » Andreas » 6592 Tage zuvor » #
  2. Das ist natürlich die andere Seite der Medaille. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Aber meine ersten Lebensjahre und die ersten Schritte in Richtung gutem DDR-Bürger waren bereits getan. Meine Mutter meinte allerdings immer, dass ich später mal Probleme bekommen hätte, weil ich zu viele Fragen stelle.

    » Henny » 6591 Tage zuvor » #
  3. Nägel die hervorstehen werden eingehauen. Irgendwann hättest du keine Fragen mehr gestellt.
    Das System hat ja auch super bis zu dem Punkt funktioniert, wo die wirtschaftliche Grundlage zusammenbrach, die wenigen Moralisten und grundsätzlich Widerspenstigen ließen sich auch noch im Westen zu Geld machen.

    » Andreas » 6590 Tage zuvor » #
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