Ich les’ zur Abwechslung mal wieder was Relevantes:
Sebastian Haffner: Geschichte eines Deutschen.
Die Erinnerungen 1914 – 1933, dtv, Juni 2002
Sehr spannende Gedankengänge und Einsichten:
“Offenbar hat geschichtliches Geschehen einen verschiedenen Intensitätsgrad. Ein »historisches Ereignis« kann in der wirklichen Wirklichkeit, also im eigentlichsten, privatesten Leben der einzelnen Menschen fast unregistriert bleiben – oder es kann dort Verheerungen anrichten, die keinen Stein auf dem andern lassen. In der normalen Geschichtsdarstellung sieht man ihm das nicht an. [...] Ich glaube, Geschichte wird falsch verstanden, wenn man diese ihre Dimension vergißt (und sie wird fast immer vergessen).”1
Auch die Beschreibung Hitlers macht den weiten und wachen Geist Haffners pointiert deutlich:
“In weiten Kreisen war er 1930 noch eine eher peinliche Figur aus grauer Vergangenheit: der Münchener Heiland von 1923, der Mann des grotesken Bierhausputsches. Zudem war seine persönliche Atmosphäre für den normalen Deutschen (nicht etwa nur für die »Klugen«) durchaus abstoßend: die Zuhälterfrisur; die Talmieleganz; der Wiener Vorstadtdialekt; das viele und lange Reden überhaupt, das Epileptikergehaben dazu, die wilde Gestikulation, der Geifer, der abwechselnd flackernde und stierende Blick.”2
1 Haffner 2002, 12
2 Haffner 2002, 88
Ich fand seine Bemerkungen auch recht tiefblickend, auch wenn ich nur seine ‘historischen Variationen’ gelesen habe.
» Andreas » 6649 Tage zuvor » #