Auf den ersten Blick hatte sich die Welt in Berlin durch den Beginn der WM nicht sonderlich verändert. Nicht mehr Spinner unterwegs als sonst. Doch beim näheren Hinsehen und der Benutzung der Öffentlichen fallen einem die Veränderungen ins Auge: Die Stadt quillt mitlerweile über vor Fußballtouristen, gut erkennbar an den fremden Sprachen und Mundarten – obwohl ich zugeben muss, dass sich diese bisher ganz manierlich benehmen. Ganz so, als wären dies Menschen, die nur im 2-Jahres-Rhythmus, nämlich zur Welt- bzw. zur Europameisterschaft, die Fußballgesangsbücher aus dem Bücherregal holen, das Fantrickot bügeln und sich aufmachen zum großen Spiel.
Der gemeine Deutsche seinerseits nutzt die Gunst der Stunde: Er holt seine mottenzerfressene Nationalfahne vom Boden und hängt sich diese wahlweise um den Hals oder aus dem Fenster. Ergänzend gibt es dazu sämtliche Accessoires, die sich ein verkaufsorientierter Erfinder nur denken kann, in den Nationalfarben. So erstrahlt Deutschland momentan in schwarz-rot-gold und der vor 60 Jahren aus der Mode gekommene Nationalstolz bricht sich Bahn, projeziert auf das harmlose Feld des Sports. Sogar die Polizei trägt bunt, die Damen in Form von Girlanden am Handgelenk und die Herren zeigen Flagge an ihren Einsatzfahrzeugen. Obwohl ich heute hörte, dass dies aus Neutralitätsgründen bereits wieder untersagt wurde.
Ich bin gespannt, wie das nach Ende der WM weitergeht: Falten die Deutschen ihre Fahnen wieder fein säuberlich zusammen um sie bis zum nächsten sportlichen Großereignis einzumotten? Oder hoffen sie wie das Schulkind nach den Sommerferien, dass es gar nicht auffällt, wenn es weiterhin 2 h später ins Bett geht? Wird Nationalstolz (natürlich nur in Maßen und durchaus friedlich) in Deutschland salonfähig, oder werden die Flaggenhisser erneut als Nazis abgestempelt? On verra bien…
Nachtrag: Ich seh grad, dass Andreas auch was zum Thema geschrieben hat…
10.06.2006 21:59 von Henny
Sobald man durch die Unterfühung am Hochhaus tritt schneit es. Die Luft ist voll von dicken weißen Flocken. Sie leuchten in der Sonne und scheinen noch größer zu sein als sie es eh schon sind. In Zeitlupe schweben sie zu Boden. Dort fegt sie der Wind gemächlich zu weißen, flaumigen Haufen am Fuße der Bäume und unter den Autos zusammen.
Von weitem betrachtet ist die Luft voll von ihnen. Wenn man aber mitten im Treiben ist, hat man das Gefühl, man geht unter ihnen hindurch, sie weichen vor einem zurück, zerfallen bei der leisesten Berührung.
10.06.2006 12:37 von Henny
Witzige Aktion – Mitmachen und immer schön freundlich lächeln!
08.06.2006 16:59 von Henny
Gestern Nachmittag zwischen Westkreuz und Charlottenburg erklingt folgende Ansage:
Wegen einer Zugkreuzung verzögert sich die Weiterfahrt um einige Minuten.
Hm, gelten da auch die Mendel’schen Gesetze? Das würde zumindest erklären, warum es S-Bahn-Waggons gibt, die oben rot und unten gelb sind und andere, die oben gelb und unten rot sind. Wieder was gelernt!
30.05.2006 09:28 von Henny
ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Danke, dass Sie sitzengeblieben sind, als dieser hirnamputierte Möchtegern-Macho sie mit den Worten Los Mäuschen! Aufstehen! aufforderte, ihren Platz für seine taube oder ebenso hirnlose Freundin und deren Kind zu räumen. Sie hatten ganz recht: So redet man nicht mit fremden Frauen und außerdem war noch genug Platz für alle da. Diese Schlappe konnte er natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Aber auch als er Sie – völlig zu unrecht! – mit fetter Trulla beschimpfte, blieben Sie höflich und räumten ihren Platz dennoch nicht.
Ich wollte Ihnen bereits während der Fahrt meine Zustimmung durch ein Zeichen kundtun. Leider saßen Sie mit dem Rücken zu mir. So blieb mir und meinem Begleiter nur, den Blödmann mit offenem Mund anzustarren und ihn kopfschüttelnd auszulachen.
Im Nachhinein habe ich mich über mich selbst geärgert: Dies war wieder einmal eine Situation, in der ich etwas hätte sagen sollen. Laut und deutlich. Wenigstens ein Ihre Mutter hat eindeutig die Höflichkeit bei Ihrer Erziehung vergessen! oder Ihr Vater hat sie einmal zu oft verprügelt, oder was? hätten mir rausrutschen sollen. Das wäre ich Ihnen schuldig gewesen. Und alle anderen auch. Die schauten allerdings betreten aus dem Fenster, an die Decke oder boten dem Typen sogar ihren Platz an. Vielleicht hatten sie aber auch nur Angst, die Situation würde eskalieren.
Immerhin sind wir dann doch noch an der gleichen Tram-Station ausgestiegen, wie Sie und dieser dumme Mann mit seiner Entourage. Obwohl mein Begleiter mir versicherte, dass solche Typen in der Regel nicht handgreiflich werden, wollte ich Sie da doch nicht allein aussteigen lassen… Man weiß ja nie.
Auf jeden Fall noch mal ein großes Dankeschön für ihren Mut!
Herzlichst,
Ihre Henny
30.05.2006 09:21 von Henny
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